Noch ein Kennedy

von Bernd Hontschik
30.05.2025



Zu den schillernden Figuren, die der US-amerikanische Präsident Trump in seinem Kabinett um sich geschart hat, gehört zweifellos auch der Gesundheitsminister mit dem berühmten Namen: Robert F. Kennedy jr. Er war mal Demokrat, ein angesehener Aktivist und Anwalt für Umweltrechte. Seine aussichtslose Präsidentschafts-Kandidatur führte ihn aber ins Trump-Lager. Immer wieder hatte er in den vergangenen Monaten für Schlagzeilen gesorgt, etwa als er als sogenannter Impfskeptiker, besser gesagt als Impfgegner, oder mit skurrilen Verschwörungstheorien an die Öffentlichkeit trat. Lautstark propagierte er den Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation WHO. 77 Nobelpreisträger und mehr als 15.000 Ärztinnen und Ärzte warnten Ende 2024 vor der Ernennung von Kennedy zum Gesundheitsminister. Es hat nichts gefruchtet. Er ist es geworden. Seine Tiraden gegen das Impfen hielt er wohl aufrecht, aber mit anderen unerwarteten Entscheidungen erregte er inzwischen erhebliches Aufsehen.

Kennedy will die Food and Drug Administration (FDA) grundlegend reformieren. Er berief Marty Makary an die Spitze dieser riesigen Behörde. Makary und mit ihm viele andere Kritiker beschuldigen die FDA seit langem, dass sie unter dem unzulässigen Einfluss von Pharma- und Versicherungsunternehmen die übermäßige Verschreibung von Medikamenten zu verantworten hat. Makary war entgegen anderslautenden Diffamierungen kein Gegner der Corona-Impfungen, hat diese aber für Kinder massiv in Frage gestellt. Er prangerte die durch die FDA-Entscheidungen in den 1990-er Jahren erleichterte Verschreibung von Oxycontin an und kritisierte die FDA für die Zulassung von teuersten Medikamenten gegen Alzheimer, ALS und anderen Erkrankungen trotz unvollständiger Datenlage und ohne erkennbare Vorteile für die Erkrankten. Makary will in Zukunft alle Lobbyarbeit, insbesondere die Zahlungen von Pharmafirmen an die FDA unterbinden.

Kennedy will Arzneimittelherstellern deswegen Werbung im Fernsehen verbieten – ein milliardenschwerer Markt. Schmerzmittel, Schlafmittel und Nahrungsergänzungsmittel sind eine riesige Einnahmequelle für Fernsehsender, in jüngster Zeit getoppt durch die Abnehmspritzen („Oh-Oh Oh-Ozempic“). Kennedy will Pestiziden an den Kragen. In einem in Kürze erscheinenden Bericht macht er laut Wall Street Journal neben Bewegungsmangel, Zeitverschwendung an Bildschirmen und ungesunder Ernährung den umfangreichen Einsatz von Pestiziden für die enorme Zunahme chronischer Erkrankungen verantwortlich, besonders bei Kindern. Die Glyphosat-Lobby ist nervös wie noch nie.

Kennedy will unwirksame Medikamente vom Markt nehmen. Zuerst im Auge hat er Mittel gegen Erkältungssymptome, Husten und Schnupfen. Erstmalig in der Geschichte der FDA kam ein Gremium im November 2023 zu dem Schluss, dass ein unbefristet zugelassenes Medikament wegen völliger Wirkungslosigkeit verboten werden soll. Es betrifft den Wirkstoff Phenylnephrin, enthalten in etwa 70 Erkältungsmedikamenten in den USA: ein Milliarden Dollar-Geschäft, dem die FDA ein Ende bereiten will. Wirkungslose Medikamente gibt es in großer Zahl, von „sanften“ Erkältungsmitteln bis zu extrem teuren Krebsmedikamenten. Neue Medikamente bringen oft keinerlei Vorteil gegenüber bereits vorhandenen Therapien. In einer Studie des IQWiG konnten für 216 Neuzulassungen nur bei 54 ein beträchtlicher oder großer Zusatznutzen gefunden werden, während die restlichen drei Viertel nur dem Hersteller nutzten, nicht aber den Erkrankten. Diese Medikamente alle vom Markt zu nehmen, würde das Geschäftsmodell fast aller Pharmafirmen ins Wanken bringen. Sollte Makary seine Positionen in der FDA durchsetzen, dürfte in den Vorstandsetagen vieler Pharmafirmen ab sofort die Alarmstufe Rot herrschen. Es gibt noch eine Reihe weiterer Vorhaben, mit denen Kennedy und Makary die saturierten Gewinnler im US amerikanischen Gesundheitswesen in Zukunft in Aufruhr versetzen werden. Man will die Abhängigkeit medizinischer Fachzeitschriften ins Visier nehmen, Lobbyismus im Gesundheitswesen generell beenden, und man will die überhöhten Arzneimittelpreise auf dem US-amerikanischen Pharmamarkt bekämpfen. Kennedy würde ich mir nicht als Gesundheitsminister in Deutschland wünschen. Aber seine und insbesondere die Initiativen von Marty Makary wären auch für hiesige Zustände dringend notwendig. Davon ist aber weit und breit nichts zu sehen.

Der Beitrag erschien bereits in der ÄrzteZeitung vom 29.05.2025

Mehr zum Autor: Eine Rezension des aktuellen Buches von Bernd Hontschik "Heile und Herrsche" findet man hier

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