Die Räuber rauben weiter...

die gesetzliche Rentenversicherung aus.

von Reiner Heyse*
22.08.2024


Die Zechprellerei der Bundesregierung wird nochmals gesteigert. Parallel dazu wird ein Füllhorn für die Geschäfte der Finanzkonzerne ausgeschüttet.

Die Zechprellerei haben wir schon mehrfach gründlich beschrieben (1). Sie funktioniert so: Der Gesetzgeber verpflichtet die Rentenversicherung Rentenleistungen auszuzahlen, für die nie Beiträge entrichtet wurden (nicht beitragsgedeckte bzw. versicherungsfremde Leistungen). Die von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) quasi verauslagten Beträge werden von den Bundesregierungen nur zum Teil erstattet. Es entsteht eine Deckungslücke.

In konkreten Zahlen für 2020: Die Rentenversicherung zahlte an nicht beitragsbegründeten Leistungen 112 Milliarden Euro aus. Die Bundesregierung zahlte aber nur 75 Milliarden Euro für diese Leistungen an die DRV. So blieb eine Zahlungslücke von 37 Milliarden Euro. Das war und ist reine Zechprellerei – die restliche Zeche musste von den Beitragszahlern beglichen werden. Das passiert Jahr für Jahr. Die von den Beitragszahlern ausgeglichenen Lücken haben seit 1957 die Billionen-Euro Grenze überschritten.

Die Ampelregierung fand daran, wie ihre Vorgänger, nichts Anstößiges. Im Gegenteil: Niemand rief: „Haltet den Dieb/Zechpreller“. Also konnte ungestört weiter gestohlen/geprellt werden. Mittlerweile seit 2022 zum vierten Mal. Das letzte Stück an Dreistigkeit befindet sich seit einer Woche im Haushaltsplan für 2025. Nach zuvor schon gekürzten Bundesleistungen von 6,8 Milliarden Euro bis 2027, sollen jetzt noch einmal 2 Milliarden Euro zusätzlich reduziert werden.

Nachdenken in Bremen

Die DRV protestiert auch jetzt wieder, wie schon zu den drei vorangegangenen Kürzungen. Aber es scheint in den Redaktionen der Qualitätsmedien wieder einmal niemanden zu jucken. Auch von den Gewerkschaften und Sozialverbänden gab es schon zu den drei vorangegangenen Kürzungsrunden kaum wahrnehmbare Kritik.

Im Juni schrieb ich dazu „So werden Räuber ermutigt weiter zu rauben…“. Diese Vorhersage hatte eine Verfallszeit von gerade einmal einem Monat. Ohne deutlichen Widerstand wird der Raubzug immer weitergehen.

Das Füllhorn wird für die Finanzkonzerne ausgeschüttet

Während die Schwächung der gesetzlichen Rentenversicherung weitergeht, wird buchstäblich parallel dazu die Stärkung der Profitquellen von Finanzkonzernen betrieben. Das geschieht in allen drei „Säulen“ der Alterssicherung.

In der ersten Säule – gesetzliche Rentenversicherung (gRV) – wurde das Projekt Aktienrente Ende Mai im Kabinett beschlossen. Es bedient die nächsten 12 Jahre ausschließlich die Interessen von Banken und anderen Fondsverwaltungen. Im Jahr 2036 soll der Rentenfonds, durch Kredite (Schulden) und spekulative Zinserträge, ein Volumen von 200 Milliarden Euro erreichen. Das Management der Neuverschuldungen und des Fonds“vermögens“ beschert der Finanzwirtschaft Jahr für Jahr zunehmende Profite. Erst ab 2036 sollen dann Erträge von 10 Milliarden Euro an die Deutsche Rentenversicherung (DRV) überwiesen werden. Das risikolose Geschäft der Fondsverwaltung läuft für Banken und Co. auch danach unvermindert weiter.

In der zweiten Säule – Betriebsrenten – befindet sich seit Juni eine Novelle des „Betriebsrentenstärkungsgesetzes“ in der Regierungsabstimmung. Das Gesetz aus dem Jahr 2017 war ein Flop – in sechs Jahren sind gerade einmal drei unbedeutende Tarifverträge dazu abgeschlossen worden. Die Änderungen sollen nun das Geschäft beleben. Sie folgen nahezu vollständig den Empfehlungen des „bAV- Fachdialog“s, der von der Versicherungswirtschaft dominiert wird. Die Novelle beinhaltet vor allem:

– eine deutlich höhere Steuerbefreiung von Firmen, wenn sie Zuschüsse bei der Entgeltumwandlung für geringere Einkommen zahlen und 

– noch mehr Freiheit für die Versicherungen in Risikokapital zu investieren, ohne für anfallende Verluste haften zu müssen.  

In der dritten Säule – Privatvorsorge – wird zeitgleich mit der 2 Milliarden-Kürzung für die DRV von Lindner, Scholz und Habeck die Einführung eines „Altersvorsorgedepots“ angekündigt. Das soll die Nachfolge der vollständig gescheiterten Riester-Rente antreten. Auch hier wieder: Die Bundesregierung folgt den Empfehlungen einer „Fokusgruppe private Altersvorsorge“, in der Banken und Vermögensmanager das Sagen haben. Mehr Fördergelder und weniger Garantien für die in das Geschäft gepumpten Spargelder. Riester-Verträge haben zuletzt jährlich 4 Milliarden Euro Steuergelder verschlungen. Diese Summe deutlich zu steigern, macht den Schuldenbremsern der Ampel offensichtlich auch keinerlei Probleme.

Hirnrissig: das Ganze wird mit dem Etikett „Wachstumsinitiative“ verkauft.

Im Gegenteil, sie vergessen ihre Spar- und Kürzungsziele und rühmen sich der wirtschaftlichen Vernunft. Die Einführung des „Altersvorsorgedepots“ wird sogar als Bestandteil einer „Wachstumsinitiative“ gerühmt. 

Das schlägt dem Fass den Boden aus. Die Wirtschaft taumelt in eine Rezession, bei der die schwächelnde Binnennachfrage als Hauptverursacher ausgemacht ist. Der Bundesregierung fällt in dieser Lage doch tatsächlich ein, dass vermehrter Konsumverzicht durch Entgeltumwandlung (also sparen für „Betriebs“renten) und verstärkte Geldanlagen in Aktien-Rentenfonds ein Ausweg aus der Wirtschaftskrise sei. Geht´s noch? 

Wenn dem Ganzen dann noch der Stempel „Wachstumsinitiative“ aufgedrückt wird, drängt sich die Frage auf: „Welches Wachstum?“ oder „Wachstum für wen?“ ist eigentlich gemeint?

Die Antwort liegt auf der Hand: Mit den Vorhaben in allen drei „Säulen“ der Altersvorsorge werden die Interessen der Finanzkonzerne bedient. Deutsche Bank, BlackRock, ALLIANZ und Co. können wieder einmal die Champagner-Korken knallen lassen.

Anmerkungen:
(1) Genauere Informationen zu versicherungsfremden Leistungen / nicht beitragsgedeckten Leistungen gibt es hier:

Der 37 Milliarden Euro-Klau aus 2020 aufgeflogen– na und?

Die Sozialversicherungskassen bluten für die „schwarze Null“

Zwei verborgene Skandale in einem – ja haben wir denn schon „1984“?

50 Millionen DM, das waren einmal “Peanuts” – 30 Milliarden €, das ist weniger als ein StaubkornRentenbeitragszahler finanzieren den Staatshaushalt mit 30 Milliarden €.

 




* Reiner Heyse, Nachrichteningenieur, war langjähriges Tarifkommissionsmitglied in der IG Metall und Betriebsrat in einem mittelständischen Betrieb in Kiel.
Weitere, äußerst sachkundige Beiträge zum Thema Rente unter seniorenaufstand.de, wo auch dieser Artikel zu finden ist

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