Rentnerarmut noch schlimmer!



von Holger Balodis und Dagmar Hühne
26.04.2023



Die Medien melden einen vermeintlich sensationellen Befund: 660.000 Rentner bezogen Ende 2022 Grundsicherung, ein Zuwachs von 12 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Immer mehr Rentner - so die Erklärung - müssten Grundsicherung beantragen, weil angesichts gestiegener Preise ihr Einkommen nicht reiche, um die Lebenshaltungskosten zu decken. Letzteres ist ein Irrtum: Ob man von seinem Einkommen leben kann, das interessiert die Grundsicherungsämter in der Regel nicht. Was allein zählt: Liegt man mit all seinen Einkünften über oder unterhalb des Regelsatzes plus Warmmiete? Diese Grenze lag im Bundesdurchschnitt vergangenes Jahr bei rund 900 Euro.

Was fest steht: Die Zahl der armen Rentner, die Probleme haben, ihr Leben zu bestreiten, ist weitaus höher als jetzt gemeldet. Zu den 660.000 Rentnern im Grundsicherungsbezug kommen noch rund 530.000 Erwerbsminderungsrentner hinzu, die ebenfalls Grundsicherung erhalten. Dazu kommt eine zahlenmäßig nicht erfasste Zahl an Rentnern, die genauso wenig Geld haben, aber die formale Voraussetzung für die Grundsicherung nicht erfüllen. Etwa weil sie die Regelaltersgrenze der Rente noch nicht erreicht haben oder ihre Erwerbsminderungsrente noch nicht dauerhaft bewilligt wurde. Es gibt noch weitere Gründe, weshalb Rentnern mit kleinen Einkommen die Grundsicherung verwehrt wird. Am häufigsten dürfte es am Einkommen des Lebenspartners scheitern. Aber auch ein Sparvermögen von über 10.000 Euro oder Kinder mit einem zu hohen Einkommen führen zur Ablehnung. Arm bleiben diese Rentner in vielen Fällen trotzdem. Die Zahl der Grundsicherungsbezieher ist also ein untauglicher Indikator für bereits existierende Altersarmut.

Schauen wir auf die Armutsgefährdungsschwelle des Statistischen Bundesamts, die 2021 bei netto 1.251 Euro monatlich für Alleinlebende lag. Auch davon kann man seine Lebenshaltungskosten inklusive Miete kaum decken. Orientiert man sich aber an diesem Maßstab, sind über 20 Prozent der Rentner arm. Wir reden dann über eine Bevölkerungsgruppe von annähernd 5 Millionen Menschen. So gesehen sind die gemeldeten 660.000 Rentner im Grundsicherungsbezug weniger ein Warnsignal als vielmehr eine grobe Verharmlosung.

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