von Bernd Fischer
16.01.2025
„Die Friedensbewegung“, schreibt Leo Ensel am 10. Januar 2025 auf Global Bridge, „ist in ihrer jetzigen Erscheinungsform – vergreist und im Ritualismus erstarrt – nicht zukunftsfähig. Täubchen und über vier Jahrzehnte alte Parolen sind kaum geeignet, jüngere Menschen hinterm Ofen hervorzulocken. Benötigt werden wieder Geist, Charme, Witz, Esprit – kurz: Friedensfrechheit!“
Herr Ensel redet gern über die Friedensbewegung der frühen Achtzigerjahre des letzten Jahrhunderts und was es damals zu bewundern gab: „Da gab es in jedem westdeutschen Kuhkaff eine Friedensgruppe, und die wussten haargenau Bescheid, was in der nächsten amerikanischen Kaserne gelagert ist, und in welchen Szenarien diese Waffen eingesetzt würden. Die waren weltanschaulich völlig unterschiedlich. Es waren marxistische Gruppen, es waren christliche Gruppen, es waren Umweltgruppen, sie waren lose vernetzt, es gab auch Berufsgruppen, es gab sogar Soldaten für den Frieden, es gab Lehrer für den Frieden, Psychologen für den Frieden, es gab sogar Medienleute für den Frieden, man glaubt es kaum…“
Genau, man glaubt kaum. Aber nur, wenn man vergessen hat, dass die Medienlandschaft vor 40 Jahren noch keine von wenigen Konzernmedien beherrschte flurbereinigte Einöde war. Gegenöffentlichkeit gab es damals noch, „man glaubt es kaum“, von der Taz, vom Stern, der Frankfurter Rundschau, von der Deutschen Volkszeitung DVZ, Konkret, UZ und vielen autonomen regionalen Printmedien. Es gab die gewerkschaftlichen und kirchlichen Gruppen, die Schriftsteller, Lyriker und Schauspieler, die bildenden Künstler und natürlich die Sängerinnen und Sänger von Degenhardt und Süverkrüp über Harry Belafonte, Katja Ebstein, Maria Farantouri, Udo Lindenberg (!), Miriam Makeba, Ulla Meinecke und Konstantin Wecker bis zu Schlagersternchen wie Gitte „So schön kann doch kein Mann sein“ Haennig, die bei „Künstler für den Frieden“ in Bochum oder Hamburg auftraten, um den Protest gegen die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen mit ihren Mitteln zu unterstützen.
Aber das Wichtigste – auch das glaubt man inzwischen kaum - hat Herr Ensel, der als Siebzigjähriger von den flotten frechen Sprüchen der frühen Achtziger träumt, vergessen: Mit der DDR gab es ein Land, das allein durch seine Existenz in der Lage war, den Militarismus der westdeutschen Eliten mit einer völkerrechtlich anerkannten Grenze einzudämmen. Die DDR - wie auch immer man zu ihr stand – war das sozialistische Bollwerk, an dem sich der westdeutsche Revanchismus die Zähne ausbeißen konnte. Bis 1989. Kaum aber waren DDR und Warschauer Pakt verschwunden, legten die USA mit oder ohne Nato wieder richtig los: 251 Militäreinsätze allein in den Jahren 1991 bis 2022 laut offiziellen Daten des „Congressional Research Service“, veröffentlicht unter dem Titel „Instances of Use of United States Armed Forces Abroad, 1798-2022“, wobei die zahlreichen bewaffneten CIA-Operationen und Putschversuche gar nicht erst aufgelistet sind.
Und viele trauten ihren Augen nicht, als 1999 die Grünen, in den goldenen Achtzigern eine tragende Säule der Friedensbewegung, gemeinsam mit der Nato unter Bruch des Völkerrechts gegen Jugoslawien in den Krieg zogen, was Leo Ensel laut Infosperber vom 16.05.2024 nicht daran gehindert hat, noch bis vor 10 Jahren mit seiner Wahlentscheidung für diese widerliche Kriegspartei die Niederlage der Friedensbewegung zu befördern und zu festigen. Wenn also die Friedensbewegung 25 Jahre nach dem Verrat der Grünen noch damit beschäftigt ist, sich von den Niederlagen des vergangenen Jahrhunderts zu erholen, hat sie das auch Herrn Ensel zu verdanken, der sie heute unter Verwendung hohler Begrifflichkeit als „nicht zukunftsfähig“ schmäht, ohne zu benennen, was er unter Zukunft eigentlich versteht. „Nicht zukunftsfähig“ kann je nach Perspektive alles Mögliche sein: Der Dieselmotor, die Zweierbeziehung, die Heringsfischerei, das Christentum oder der Privatbesitz an Produktionsmitteln. „Nicht zukunftsfähig“ ist die Friedensbewegung nur für die, die keinen Frieden wollen. Die Zukunft der Friedensbewegung hängt von den Fähigkeiten derer ab, die sie tragen. Und von der Bereitschaft anderer, sich ihr anzuschließen.
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