Lindners dreiste Tricks

von Holger Balodis und Dagmar Hühne
14.08.2022



Finanzminister Christian Lindner betreibt wieder mal Klientelpolitik ersten Ranges: Sein Kampf gegen die kalte Progression bringt Topverdienern wie ihm gut tausend Euro (je Ehepaar) mehr im Jahr. Für Kleinverdiener bleiben nur Krumen oder im Extremfall gar nichts.

Und da stellt er sich noch hin und behauptet, dass alle profitierten und nennt als erstes gar die Rentner! Zugegeben, von der längst überfälligen Erhöhung des Grundfreibetrages werden auch Rentner, wenngleich eher wenige, profitieren. Ihre Steuerlast dürfte dann pro Jahr um 50 bis 100 Euro geringer ausfallen. Doch Rentner, die Einkommensteuer zahlen, sind in der Minderheit. Die weitaus meisten Rentner bleiben aktuell steuerfrei. Sie werden also von den neuen Lindnerplänen genauso wenig haben wie von dem 300 Euro Energieentlastungsbetrag, der im September an alle Steuerpflichtigen ausgeschüttet wird.

Kein Zweifel: Entlastungen sind in Zeiten hoher Inflation, insbesondere dramatisch steigender Gaspreise, überfällig. Doch die sollten vor allem bei denen ankommen, die am stärksten davon betroffen sind, also Menschen mit geringen Einkommen. Da verbieten sich alle Operationen am Einkommensteuertarif. Wer wenig oder keine Einkommensteuer zahlt, hat schlicht von solchen Maßnahmen nichts. Die Topverdiener hingegen sollten in diesen Zeiten in die Verantwortung genommen werden. Erinnert sei daran, dass der Spitzensteuersatz (inklusive Reichensteuer) derzeit bei maßvollen 45 Prozent liegt. Von 1975 bis 1989 betrug dieser Satz noch 56 Prozent. Die Besserverdiener werden in Deutschland aktuell also keineswegs überlastet, sondern eher geschont. Die Vermögenssteuer wurde sogar vollständig abgeschafft. Auch die Erbschaftssteuer und die Besteuerung von Kapitalerträgen ist im internationalen Vergleich extrem niedrig.

Und dabei wird es vermutlich auch bleiben, bei diesem Finanzminister sowieso. Und einem Kanzler, der seinerzeit als Hamburger Landeschef, ganz offenbar ein wohlwollendes Auge auf Cum-Ex-Betrüger warf und sich heute nicht mehr daran erinnern kann, weshalb die Hansestadt eine unrechtmäßig gewährte Steuererstattung von 47 Millionen Euro nicht zurückgefordert hat. Von den zwielichtigen Cum-Ex-Praktiken dürfte in erster Linie die finanzielle Oberschicht profitiert haben. Statt dessen ist nun das Lamento um die kalte Progression groß. Sie führt angeblich dazu, dass von Lohnerhöhungen durch die hierdurch ausgelöste Steuererhöhung weniger bleibt als zuvor. Doch das ist bei einem Steuersatz von weniger als 100 Prozent schlicht unmöglich. Selbst wer unter einem Grenzsteuersatz von 45 Prozent leidet, dem bleiben von einer Gehaltserhöhung von 100 Euro noch immer 55 Euro. Dennoch lässt sich mit solcher Propaganda offenbar gut Politik machen.


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