Grundrente - Der vermaledeite Meilenstein

Die 2021 eingeführte Grundrente ist mitnichten eine Mindestversorgung auf existenzsicherndem Niveau. Schlimmer noch: Sie wird nur in wenigen Fällen dazu führen, dass Renter*innen mehr haben als das, was Grundsicherungsbezieher*innen zusteht. Damit ist das, was als Respekt für die Lebensleistung gedacht war, glatt gescheitert.

von Holger Balodis und Dagmar Hühne
05.01.2021



2021 startet nach fast zehnjährigem politischem Kampf die Grundrente.

Für Hubertus Heil ein sozialpolitischer Meilenstein, wir halten es eher für ein vermaledeites Meilensteinchen. Wenn man weiß, dass zunächst nur 1,3 Millionen Rentner*innen davon profitieren sollen und diese im Schnitt einen Vorteil von monatlich 67 Euro netto haben werden, ahnt man, dass da was schief gelaufen ist. Eigentlich sollten, so lautete mal das Versprechen, alle Rentner*innen nach einem langen Arbeitsleben deutlich mehr haben als die Grundsicherungsleistung, also die Sozialhilfe für Rentner*innen. (1) Je nach Lesart der Vorschläge sollten 10 oder gar 20 Prozent mehr rauskommen als das, was als absolutes Minimum jedem zusteht, egal wie viel oder wie lange er oder sie zuvor gearbeitet hat. Doch daraus wurde nichts.

Um es ganz deutlich zu sagen: Die Anfang 2021 eingeführte Grundrente ist mitnichten eine Mindestversorgung auf existenzsicherndem Niveau. Schlimmer noch: Sie wird nur in wenigen Fällen dazu führen, dass Renter*innen mehr haben als das, was Grundsicherungsbezieher*innen zusteht. Damit ist das, was als Respekt für die Lebensleistung gedacht war, glatt gescheitert. Besonders ärgerlich: gerade die besonders schlecht bezahlten Jahre werden nicht aufgewertet. Einen Bonus gibt es nur für einen vergleichweise engen Einkommenskorridor. Auch Zeiten der Arbeitslosigkeit bewirken keine Ansprüche. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Es gibt tatsächlich Fallkonstruktionen, in denen Rentner*innen durch die Grundrente 300 oder 400 Euro mehr bekommen werden. Doch diese Fälle sind selten und weit häufiger sind jene Schicksale, in denen die Rente gerade mal um 5 oder 10 Euro aufgestockt wird. In den allermeisten Fällen wird die Grundrente deutlich unter dem Satz der Grundsicherung liegen. Und aufgrund der extrem komplizierten Rechenweise werden das wohl nur die wenigsten nachvollziehen können. Der komplizierte Prozess kratzt auch an einem Pfund, mit dem die Rentenkasse bislang immer wuchern konnte: die mit knapp 1,3 Prozent extrem kostengünstigen Verwaltungskosten. Die neue Grundrente soll nämlich zehn Mal mehr Kosten verursachen. Und sie wird bei den Betroffenen doch absehbar für große Enttäuschungen sorgen. Denn das Ergebnis ist mickrig und in vielen Fällen wohl auch ungerecht. Nach gefühlt endlosen Debatten bekommen wir mit dieser Grundrente leider keine Mindestversorgung für langjährig Beschäftigte, wie sie etwa Österreich kennt. Wir bekommen leider keine Mindestrente, die alle langjährig Versicherten auf ein Niveau oberhalb der Armutsgrenze hebt. Auch weiterhin bleibt den meisten armen Rentner*innen der Gang zum Amt nicht erspart.

Wie nötig eigentlich die Einführung einer ausreichenden Mindestrente wäre, offenbart die Statistik der Deutschen Rentenversicherung. Beispielsweise erzielten Rentnerinnen im Rentenzugang 2019 nach durchschnittlich 35,3 Versicherungsjahren eine Nettorente von 784 Euro. Wohlgemerkt im Durchschnitt. Viele liegen noch deutlich darunter. Fazit: Wir brauchen mehr als diese Grundrente. Zum Beispiel einen Nettobetrag von 1.050 Euro monatlich. Und das wäre auch finanzierbar. Wir erinnern hier an den Theologen und Ökonomen Oswald von Nell-Breuning, der feststellte: Was politisch gewollt ist, das ist auch finanzierbar. Was nicht finanziert wird, das ist auch nicht gewollt.

(1) 2019 betrug der durchschnittliche Grundsicherungsbedarf für Alleinstehende 808 Euro. Da dieser Betrag eine vom Amt für angemessen erachtete Warmmiete enthält, liegt der Grundsicherungsbedarf in Ballungsgebieten höher.

Unsere Haltung für bessere Renten könnt ihr nachhören und sehen in dem aktuellen Talk "Ausnahme&Zustand" auf Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=Llff2iZe4Ik

Einen weiteren Kommentar von Holger Balodis zur Krise der privaten Vorsorge findet ihr unter https://www.freiblatt.de/Riester_Krise_verschaerft.php

Holger Balodis und Dagmar Hühne: Rente rauf! So kann es klappen, DVS Verlag, 204 Seiten, 18 Euro (ISBN 978-3-932246-98-2), jetzt die leicht überarbeitete 2. Auflage Sie bekommen das Buch schnell und portofrei entweder direkt über uns (info@vorsorgeluege.de) oder den Frankfurter DVS-Verlag (http://www.dvs-buch.de/).

 

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