Gedankensplitter zum Umgang mit unseren amerikanischen Freunden
von Helmuth Weiss
25.02.2019
Die Einflussnahme offizieller amerikanischer Stellen auf deutsche und europäische Politik wird immer unerträglicher, auch vor massiven öffentlichen Drohungen schreckt man mittlerweile nicht mehr zurück. Was tun?
Der wohl bekannteste Linksintellektuelle der USA, Noam Chomsky, ist in seinem letzten Buch „Kampf oder Untergang. Warum wir gegen die Herren der Menschheit aufstehen müssen“, das aus einer Zusammenstellung mehrerer Interviews mit Emran Feroz besteht, auf vielfältige Gegenwartsprobleme eingegangen. Von besonderem Interesse sind seine Einschätzungen und seine scharfe Kritik amerikanischer Politik, ein Blick von innen auf unseren „Wertepartner“. Da verwundert es nicht, dass er von vielen als „Anti-Amerikaner“ verunglimpft wird.
Gerade angesichts immer offener zutage tretender Einflussnahme amerikanischer Politik auf das politische Geschehen in Deutschland und Europas – man denke nur an Nord Stream 2 oder den Boykott Irans und die damit verbundenen unverhohlenen Drohungen bei Nichtbefolgung amerikanischer Direktiven – lohnt sein Blick zurück auf die vergangenen Jahrzehnte, um ein besseres Gespür zu entwickeln für die Kontinuität amerikanischer Interessen und ihrer Politik.
Chomsky erinnert an die Unterstützung von Terror und Gewalt in Zentralamerika, vor allem während der Präsidentschaft von Ronald Reagan. Er erinnert an die Verbrechen in Vietnam, er erinnert an den illegalen Krieg im Irak, ihm zufolge „eines der größten Verbrechen des 21. Jahrhunderts“ und an die Ausweitung des Drohnen-Krieges durch Obama. Er erinnert daran, dass allein die Erhöhung des Militärbudgets durch Trump 80 % des Gesamtbudgets des russischen Militärs ausmachen, dass amerikanische Militärs in 70 % aller Länder der Welt tätig sind und mehr als 800 Militärbasen im Ausland betreiben. Und er erinnert daran, dass die Hälfte des weltweiten Vermögens in den Händen von Unternehmen liegt, die in den USA ansässig sind. Der weltweite Klimawandel wird nicht nur geleugnet, sondern es wird aktiv an einer verstärkten Umweltzerstörung gearbeitet. Diese Horrorliste ließe sich beliebig fortsetzen.
Was heißt das für uns in Deutschland, für all diejenigen, die in Opposition stehen zu unseren herrschenden Parteien?
Dabei ist es unerlässlich, sich immer wieder darüber im Klaren zu sein, wie groß unsere Abhängigkeit von den USA in wirtschaftlicher, ideologischer und kultureller Hinsicht ist. Deutschland ist in der Tat ein Winzling verglichen mit der amerikanischen Macht, und selbst Europa als Ganzes ist in keinster Weise ein gleich gewichtiger Mitspieler. Ist es also unveränderlich, „dass die Starken machen, was sie wollen, und die Schwachen das ertragen, was sie müssen“ ?
Natürlich ist es sinnvoll darauf zu vertrauen, dass eine Richtungsänderung amerikanischer Politik im wesentlichen nur von innen erfolgen kann. Ansätze dazu sind erkennbar.
Doch was können wir tun? Aufklärung über die wahren Interessen amerikanischer Außenpolitik jenseits der hehren und konsequenzlosen Worte über Wertegemeinschaft, Freiheit und Marktwirtschaft. Ja, ganz sicher. Unterstützung politischer Initiativen und Demonstrationen gegen die Aufrüstungspolitik Deutschlands und der Nato. Auch das. Widerstand gegen den Boykott Irans und anderer Staaten. Auf jeden Fall. Verstärkter kultureller und politischer Austausch mit fortschrittlichen Kräften in den USA sollten ebenfalls auf der Agenda stehen.
Eins sollten wir auf jeden Fall tun: Jeder deutsche Politiker, der dem Wahnsinn amerikanischer Politik tatenlos oder wohlwollend gegenüber steht, muss darüber hinaus kompromisslos als Mittäter angeprangert werden, muss als Mitverantwortlicher benannt werden. Radikale Kritik ist angesagt. Gerade in Deutschland, wo politisches Mitläufertum in der Vergangenheit zu furchtbaren Konsequenzen geführt hat, müssen wir aufstehen gegen den Wahnsinn der gegenwärtigen amerikanischen Außenpolitik.
Also Hoffnung ? Wenig. Aber es gibt keine Alternative.
Noam Chomsky: Kampf oder Untergang!: Warum wir gegen die Herren der Menschheit aufstehen müssen.
Westend Verlag 2018
Noam Chomsky
(Foto: © Martin Bialecki / Westend Verlag)